Glaubwürdigkeit

Privacy please – über die Disharmonie von Badehosen und Quanten-Computing

Der Schnappschuss vom Tauchurlaub auf Curacao, das Familienfoto mit Mickey Mouse in Anaheim, das Bild vom jüngsten Zahnarzt-Besuch – bei manchen Managern, Promis und ja, auch Politikern scheint die Privacy gänzlich abgeschafft zu sein. Sie nutzen ihr Privatleben, ihr Umfeld und ihre Freizeitaktivitäten als eigenes Kommunikationstool. Was einst mit gelegentlichen Homestorys startete und Influencer zu ihrem Geschäftsmodell entwickelt haben, bringt überambitionierte social-media-affine Manager zum Positionierungs-Gau. „Ich hab auf kein anderes Posting je mehr Likes gehabt“ ...“Na dann muss es ja richtig sein“ ...hmmm, Likes sind allerdings nicht Selbstzweck...nur so nebenbei. Wenn ich mich als kompetenter Experte, ernstzunehmender Manager oder professioneller Politiker positionieren möchte, sollte ich eventuell auf das dritte private LinkedIn-Posting diese Woche verzichten. Denn sonst steh ich ganz schnell in der falschen Ecke und könnte Mühe haben, da wieder raus zu kommen, weil mir dann schlicht die Glaubwürdigkeit abhanden kommt, wenn ich mal wieder die nächsten Quartalszahlen präsentieren oder Quanten-Computing erklären muss. Ja, dem einen oder anderen würde es guttun, etwas Menschlichkeit zu zeigen, und dann ist der gelegentliche Blick durchs Schlüsselloch in Vorstandsetagen ein spannendes Element. Aber generell gilt dennoch: Privacy please! 

 

Schmeiß die rosarote Brille weg - ein Plädoyer für die echten Geschichten

Der Superlativ – die Lieblingsform der Marketiers. Es muss immer das cremigste Eis, das weißeste Lächeln, die schärfste Klinge, das schnellste Auto und die innovativste Lösung sein...Der Marketier liebt es, vollkommen frei von gesunder Reflexion und fern ab der Realität seine Produkte anzuwerben und in höchsten Tönen zu loben. Getoppt wird das Ganze nur vom Werbetexter, der uns verspricht, dass die eingetrockneten Rotweinflecken bei 20 Grad aus dem weißen Seidenkleid rausgehen...die Wahrheit ist ein dehnbarer Begriff und wird in den unterschiedlichen Disziplinen unterschiedlich strapaziert. Und hier krachen dann gern die Welten aufeinander – wenn der Marketier meint, PR zu machen und nicht versteht, dass von dem absolut übertriebenen Anpreisen, nur die Glaubwürdigkeit schwer in Mitleidenschaft gezogen wird und das ganze Unterfangen damit kontraproduktiv wird. Wir PR-Pros haben oft den Ruf, dass wir ein bisschen langweilig sind. Nein, wir sind nicht langweilig, wir sind faktenorientiert, wir erfinden nicht das Blaue vom Himmel und tragen nicht die rosarote Brille der Marketingkollegen. Wir formulieren gern unaufgeregt, unsere Texte, Messages und Stories sind stringent und nachvollziehbar, und wir versuchen dabei die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Gute Kommunikation muss bei Gott nicht marktschreierisch sein...wie einst der Gurkenhobelverkäufer vor dem Kaufhaus Steffl oder heute die Moderatorin vom Homeshopping-Kanal, die mir die Jeansleggins anpreist, die mich drei Kleidergrößen schlanker zaubert.