Social Media

The Fear of Missing out – über den Unterschied zwischen denen, die was sagen und jenen, die was zu sagen haben. 

Ein Hype, wie er im Bilderbuch steht. Stars, Sternchen, Promis und weniger Prominente waren die ersten...und ja natürlich die „Early Adopter“...sie haben letzte Woche auf sämtlichen Social Media-Kanälen damit geprahlt, bei Clubhouse zu sein. Denn in Linkedin und Facebook seinen „Room“ zu bewerben hat genau nur einen Sinn: die Welt wissen zu lassen, dass man zu den Auserwählten zählt. Aus Neugier und weil ich ja doch die Medienbranche kennen sollte, hab auch ich meine Einladung angenommen und spazierte so durch die Rooms...hörte Fremden und weniger Fremden, bekannten und weniger bekannten Menschen beim Quatschen zu – über Themen, die mich mehr oder weniger interessieren. „Eh nett“ könnte ich als freundliche Zusammenfassung sagen. Irgendwo eine Mischung zwischen Radiotalkshow und Podcast, nur weniger professionell und die Protagonisten sind die Linkedin-Kontakte. Es zeigt sich einmal mehr, dass Journalisten als Gatekeeper durchaus ihre Berechtigung haben... Denn egal auf welchem Kanal, in welchem Medium und in welchem Jahrzehnt, die Gruppe derer, die was sagen und jener, die was zu sagen haben, ist nicht immer deckungsgleich. Der Hype um Clubhouse hat auf jeden Fall perfekt funktioniert. Den Machern muss man applaudieren. Sie verstehen die Kunst der künstlichen Verknappung. Denn egal, ob bei Partys in den späten 80ern oder 2021 bei Clubhouse, die Angst, was zu versäumen und der Wunsch dazuzugehören bleiben konstant und überdauern alle Trends. 

 

on-air-4901461_1280.jpg

Privacy please – über die Disharmonie von Badehosen und Quanten-Computing

Der Schnappschuss vom Tauchurlaub auf Curacao, das Familienfoto mit Mickey Mouse in Anaheim, das Bild vom jüngsten Zahnarzt-Besuch – bei manchen Managern, Promis und ja, auch Politikern scheint die Privacy gänzlich abgeschafft zu sein. Sie nutzen ihr Privatleben, ihr Umfeld und ihre Freizeitaktivitäten als eigenes Kommunikationstool. Was einst mit gelegentlichen Homestorys startete und Influencer zu ihrem Geschäftsmodell entwickelt haben, bringt überambitionierte social-media-affine Manager zum Positionierungs-Gau. „Ich hab auf kein anderes Posting je mehr Likes gehabt“ ...“Na dann muss es ja richtig sein“ ...hmmm, Likes sind allerdings nicht Selbstzweck...nur so nebenbei. Wenn ich mich als kompetenter Experte, ernstzunehmender Manager oder professioneller Politiker positionieren möchte, sollte ich eventuell auf das dritte private LinkedIn-Posting diese Woche verzichten. Denn sonst steh ich ganz schnell in der falschen Ecke und könnte Mühe haben, da wieder raus zu kommen, weil mir dann schlicht die Glaubwürdigkeit abhanden kommt, wenn ich mal wieder die nächsten Quartalszahlen präsentieren oder Quanten-Computing erklären muss. Ja, dem einen oder anderen würde es guttun, etwas Menschlichkeit zu zeigen, und dann ist der gelegentliche Blick durchs Schlüsselloch in Vorstandsetagen ein spannendes Element. Aber generell gilt dennoch: Privacy please! 

 

Der Reiz des Neuen - über Selbstläufer und echte Knochenarbeit

Neues Unternehmen, neue Idee, neues Produkt, neues Gesicht...das sollte doch ganz leicht zu kommunizieren sein, denn jeder steht auf neue Dinge, und einen Newswert gibt’s obendrein. Also starten wir die Kommunikations-Maschinerie und die Journalisten, Facebook-User und Twitter-Leser werden es mir aus der Hand fressen. Nein? Nein! Ein neuer Manager muss sich in den Medien erst das Standing seines Vorgängers erarbeiten. Das kann man nicht einfach vererben. Ein neues Produkt wird am alten oder an der Konkurrenz gemessen. Innovationskraft, Nutzen und Neuartigkeit werden mal ganz kräftig hinterfragt und dann die überhaupt größte Herausforderung: ein neues Unternehmen...“noch nie davon gehört“...“kann das überhaupt was“...“Pfffff, der hat ja auf Facebook nur 84 Fans und auf Twitter 67 Follower...“ Nein, die hungrige (Social-)Media-Meute stürzt sich nicht auf alles Neue. Wir müssen erklären, Relevanz zeigen, Seriosität unter Beweis stellen, vorstellen, begeistern... Die Erst-Positionierung ist selten Selbstläufer, sondern entpuppt sich oftmals als echte Knochenarbeit – und zwar in der alten wie in der neuen Medienwelt. 

Kauft mehr Zeitungen - denn wir brauchen Journalisten, echte Journalisten

Nicht dass es unerwartet kam...eigentlich haben viele schon lange darauf gewartet...und gestern war’s dann soweit: Österreichs einzige Wirtschaftszeitung schließt ihre Pforten. Das taugt mir gar nicht. Weil ich bin bekennender Zeitungsleser und ich liebe, achte und ehre unsere Journalisten – die meisten zumindest. Wir brauchen sie in einer Demokratie, in der aufgeklärten Gesellschaft. Irgendjemand muss mit professionellem Auge auf die Geschehnisse in der Welt – sei es nun in der Chronik, in der Politik oder eben in der Wirtschaft schauen. Social Media ist zwar eine feine Ergänzung, kann aber echten Journalismus bei Gott nicht ersetzen. Gerade wieder bei den jüngsten Attentaten in Nizza, München und Ansbach hat man gesehen, wie wichtig der Beruf des Journalisten und die Rolle der traditionellen Medien sind. Wir brauchen verlässliche Informationen. Es ist nicht jeder mit einem Twitter-Account ein Journalist, es ist nicht jedes Foto vom Ort des Geschehens aus journalistischen oder ethischen Gründen zu veröffentlichen. Wir brauchen Journalisten, die ihre Arbeit können, die recherchieren, hinterfragen, schreiben. Und für diese Arbeit, für diese Dienstleistung müssen und sollen wir zahlen, in der Trafik, im Abo für Print oder Online. Warum glauben wir, dass Journalismus for free ist? Da stecken Medienmacher und Journalisten dahinter, die gelernt haben, die studiert haben, eine Karriere aufgebaut haben, jeden Tag in der Früh aufstehen, hart arbeiten, ihren Job machen. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, in den Bundy & Bundy in der Wallnerstraße zu spazieren und einen Gratis-Haarschnitt abzuholen oder die Scheidungspapiere in der Innenstadtkanzlei ausarbeiten zu lassen und das Anwalts-Honorar nicht bezahlen zu wollen. Journalismus muss uns was wert sein – uns als Gesellschaft über die Medienförderung und uns als Einzelperson mit einem Print-, Online-whatever-Abo.